Theorien über Stella anatium oder:
Wo liegt Entenhausen?


- Eine Synopsis -

Donald Duck im Weltraum

Eines der kontroversesten Diskussionsthemen innerhalb des wissenschaftlichen Donaldismus ist die Frage, "wo Entenhausen liegt" - wobei "Entenhausen" dreierlei Bedeutung annehmen kann: 1. die Stadt, in der u.a. die bekannte Familie Duck lebt, 2. der Staat, in welchem die Stadt Entenhausen liegt, 3. die Welt bzw. das Universum, in dem sich die Barks'schen Berichte insgesamt abspielen. Über den Ort und die Beschaffenheit dieser Welt bzw. dieses Universums existieren mehrere Theorien; die folgenden Ausführungen möchten den bisherigen Forschungsverlauf kurz skizzieren:

1.) Diese-Welt-Theorien

a.) Hinc et nunc

Die frühesten Theorien gingen davon aus, dass Entenhausen auf unserem Planeten, der Erde, und im Hier und Jetzt zu finden sei. So wurden mehrere Lokalisierungsversuche unternommen, die Entenhausen (als Stadt) u.a. an der Westküste der USA oder in Deutschland verorteten. Dies erfolgte v.a. über Vergleiche des Entenhausener Klimas mit dem irdischen Klima verschiedener Regionen. Derartige Theorien freilich waren rasch zu falsifizieren: Nirgendwo auf unserem Planeten lassen sich intelligente Arten antreffen, die physiognomisch bspw. den Mitgliedern der Familie Duck gleichen; von anderen Arten ganz zu schweigen!


b.) Atomtheorie

Die von Ernst Horst entwickelte Atomtheorie geht davon aus, dass Entenhausen auf unserem Planeten liegt, jedoch in einer fernen, postatomaren Zukunft. Dem zugrunde liegt die Beobachtung, dass in Entenhausen eine erhöhte Radioaktivität herrscht, gegen die die Bewohner offensichtlich relativ unempfindlich sind. Horst nimmt an, dass sich eine atomare Katastrophe (Atomkrieg) ereignet hat, in deren Folge es zu Mutationen gekommen ist, was zur Entstehung von intelligenten Tierarten geführt hat. Die Stadt Entenhausen verortet Horst in Tennessee in den USA, in der Nähe des Standorts des einzigen Schnellen Brüters der USA, der bei seiner Zerstörung extrem viel Radioaktivität freigesetzt haben soll.

Ernst Horst, Unser Freund - das Atom. Teil 1: Die Wahrheit über Entenhausen, in: Der Hamburger Donaldist 34, 1982, S. 3-7; Ernst Horst, Unser Freund - das Atom. Teil 2: Die Wiege der Entenheit u. Teil 3: Dr. Jekyll und Mr. Hyde, in: Der Hamburger Donaldist 40/41, 1983, S. 34-38.

2.) Parallelwelt-Theorien

a.) Stella anatium

Stella anatiumDie genaue Betrachtung der Barks-Berichte zeigt, dass die physikalischen Gesetze und Naturkonstanten in Entenhausen z.T. erheblich von den uns bekannten divergieren. Aus diesem Grund scheint Entenhausen nicht auf unserem Planeten verortbar zu sein, auch ein anderer erdähnlicher Planet in unserem Universum scheidet aus (weil die Naturgesetze und -konstanten im ganzen Universum gelten müssen). Darüber hinaus gibt es in Entenhausen Phänomene, die bei uns nicht zu beobachten sind, z.B. außerirdische Lebensformen im Sonnensystem (auf Venus, Mars und Asteroidengürtel) oder die Existenz von Magie. Hans v. Storch hat daher schon frühzeitig die sog. Stella-anatium*-Theorie entwickelt, die davon ausgeht, dass Entenhausen in einem Paralleluniversum liegt - auf einem der Erde sehr ähnlichen Planeten. V. Storch nimmt an, dass beide Universen wegen vielerlei geographischer, geschichtlicher und anderer Parallelitäten auf irgendeine Art miteinander verbunden sind (s. Abb.).

* Stella anatium = lat. Entenstern

Hans v. Storch, Klima in Entenhausen, in: Der Hamburger Donaldist 13, 1978, S. 10-13; Hans v. Storch, Anatidische Physik, in: Der Hamburger Donaldist 55, 1986, S. 3-10.


b.) Spezielle Temporaltheorie

In seiner 1987 veröffentlichten Speziellen Temporaltheorie geht Gary Gearloose (Pseud.) analog zu Hans v. Storch ebenfalls davon aus, dass Entenhausen in einem Paralleluniversum liegen müsse: "Das Donaldische RZK (= Raum-Zeit-Kontinuum) ist mit dem Einstein'schen RZK nicht identisch" (1. Hauptsatz der Speziellen Temporaltheorie). Der v. Storch'schen Stella-anatium-Theorie fügt er vor dem Hintergrund einiger Paradoxa im Zeitablauf der BarTemporaltheorieks-Berichte seinen 2. Hauptsatz der Speziellen Temporaltheorie hinzu: "Die Zeitlinie des Donaldischen RZK verläuft relativ zu der des Einstein'schen RZK in entgegengesetzter Richtung", und zwar gleichmäßig und symmetrisch. Da die Vergangenheit in beiden RZKs weitestgehend übereinstimmt (auch Barks berichtet z.B. von Dschingis-Khan, der Eroberung Perus durch Pizarro, der Französischen Revolution und dem Goldrausch in Alaska), die Gegenwart in Entenhausen und auf unserer Erde aber in vielerlei Hinsicht divergiert (bzgl. der Staatenwelt, des technischen Fortschritts und gesellschaftlicher Phänomene), nimmt Gearloose nun eine "Störzone" an. In dieser "Störzone" haben sich beide RZKs einander angenähert, was einen Informationsaustausch vom Donaldischen RZK ins Einstein'sche RZK - und umgekehrt! - ermöglicht hat; den Zeitraum dieses Informationsaustausches datiert Gearloose auf 1931 (erste Erwähnung Donald Ducks und 1973 (Einstellung der Berichterstattung durch Carl Barks, das Jahr 1952 gilt ihm als das Jahr der dichtesten Annäherung und damit der genauesten Barks-Berichte. Die Annäherung beider RZKs ist Gearloose zufolge parabelförmig erfolgt (3. Hauptsatz der Speziellen Temporaltheorie).

Gary Gearloose, Spezielle Temporaltheorie, in: Der Donaldist 59, 1987, S. 4-7.


c.) Chrononen-Theorie

Die Chrononen-Theorie (eigentlich: "Dritter Teil der Speziellen Temporal-Theorie") von Cord Wiljes baut auf den Thesen der Gearloos'schen Speziellen Temporaltheorie auf. Wiljes nimmt jedoch nicht eine parabelförmige Annäherung zweier Raum-Zeit-Kontinuen an, sondern nimmt Entenhausen in einemChrononentheorie zeitverschobenen Universum an: Dieses Annahme beruht auf der sog. Chrononen-Theorie, wonach die Zeit nicht als kontinuierlicher Faden verläuft, sondern eine Aneinanderreihung winziger Zeiteinheiten (= Chrononen) ist. Das Entenhausener Universum liegt demnach in den Lücken zwischen den Zeiteinheiten unseres Universums. "Das heißt, dass sich an der gleichen Stelle, an der der geneigte Leser diesen Text liest, vielleicht gerade ein Entenhausener einer ähnlichen Beschäftigung nachgeht." (Die Chrononen-Theorie besagt im Übrigen, dass auch die Chrononen ungezählter anderer Universen mit dem unsrigen verzahnt sein können.) Wiljes zufolge liegen die Chrononen beider Universen sehr nahe beieinander, was die große Übereinstimmung/Synchronizität (z.B. der geschichtlichen Abläufe) zwischen beiden Universen erklärt.

Cord Wiljes, Dritter Teil der Speziellen Temporal-Theorie, in: Der Donaldist 62, 1987, S. 31-34.


d.) Dimensionen-Theorie

RechenmaschineDie Dimensionen-Theorie, aufgestellt 1990 von Detlef Giesler, beruht auf einer Aussage aus der Barks'schen bzw. Fuchs'schen Überlieferung selbst. Das Barvermögen Dagobert Ducks soll nach verschiedenen Zeugnissen ein Volumen von "3 Kubikhektar" umfassen - der Kubikhektar als ein in die dritte Dimension erhobenes Flächenmaß ist jedoch in unserer dreidimensionalen Welt nicht vorstellbar: 1 ha3 = (10.000 m2)3 = 1012 m6 = 1.000.000.000.000 m6! (Für die Berechnung solcher Zahlen findet in Entenhausen eine sog. Vielfach-Rechenmaschine [s. Abb.] Anwendung.) Da nur im hexadimensionalen Raum die Existenz eines Kubikhektars möglich ist, folgert Giesler, dass Entenhausen in der 6. Dimension liegen muss und "dass unser irdisches Dasein nur ein Spezialfall im mindestens hexadimensionalen anatiden Universums ist." Diese Annahme steht durchaus im Einklang mit den Erkenntnissen der modernen Physik, die bereits mit über 10 Dimensionen rechnet (s. z.B. Artikel in Telepolis).

Detlef Giesler, Neue Dimensionen donaldistischer Forschung, in: Der Donaldist 71, 1990, S. 41-43.


e.) Quantenchronodynamik

Patrick Hawking verweist in seiner Quantenchronodynamik-Abhandlung aus dem Jahr 2000 auf die von der modernen Atomphysik aufgestellte Theorie, dass sich am Rande unseres Universums aufgrund von Quantenfluktuationen ständig neue Blasen von Universen bilden. Da sich dieser Prozess der Entstehung neuer Universen unendlich oft wiederholt, ist die Zahl der existierenden Universen unendlich groß; daraus folgt: "In einer unendlich großen Menge ist aber jede noch so geringe Wahrscheinlichkeit realisiert, jede nur denkbare Möglichkeit ist wahr. Mit anderen Worten: Entenhausen existiert." Hawking entwickelt im Folgenden eine Theorie über den Aufbau des Entenhausener Universums auf subatomarer Ebene. Da in Entenhausen einige der uns aus unserem Universum bekannten QuantenchronodynamikNaturgesetze keine Gültigkeit besitzen, nimmt Hawking die Existenz exotischer Materieformen an: die sog. Anamaterie (Ana-Protonen und Ana-Neutronen), die eine negative Masse aufweist und Träger der Antigravitation im Entenhausener Universum ist. Aufgebaut sind diese Ana-Teilchen aus "Quaks" (analog zu den "Quarks", aus denen sich normale Protonen und Neutronen zusammensetzen). Es gibt "away-Quaks", die eine negative Masse aufweisen und Träger einer antigravitativen Kraft sind; daneben gibt es "near-Quaks", die die Träger einer besonders starken Wechselwirkung sind und dafür sorgen, dass sich die "away-Quaks" im Atomkern nicht abstoßen. Hawking führt aus, was passiert, wenn ein Ana-Proton oder Ana-Neutron von einem Graviton (= Träger der Gravitation) getroffen wird: Die Quaks des Ana-Teilchens zerfallen, und es entstehen neue Teilchen: 1. die Strahlung unbekannter Wellenlänge, 2. das Antichroniton I, das vom away-Quak stammt und für eine zeitweise Aufhebung des 2. Hauptsatzes der Thermodynamik sorgt,* 3. das Antichroniton II, das vom near-Quak stammt und in der Lage ist, das Entenhausener Universum zu verlassen und somit als Träger von Informationen aus Entenhausen fungieren könnte (Hawking tituliert dieses Teilchen daher "Barkson").

* Hierdurch könnten einige nach unserem Verständnis eigentlich unerklärliche Phänomene in Entenhausen erklärt werden (wie z.B. das Glück von Gustav Gans, die geringe Alterungsrate der Entenhausener Bevölkerung etc.)

Patrick Hawking, Quantenchronodynamik des Stella-anatium-Universums, in: Der Donaldist 111, 2000, S. 52-61.